Überspannungskategorien I,II,III,IV - Was ist das?

Welche Überspannungskategorien gibt es:

In der VDE-Norm DIN EN 60664-1 VDE 0110-1 werden vier Überspannungskategorien: I, II, III und IV beschrieben, die wir an dieser Stelle vereinfacht wiedergeben.
Der Unterschied zwischen den vier Überspannungkategorien ist die Stoßspannungsfestigkeit, welche die Elektrogeräte besitzen. Entwickler von  Elektrogeräten legen mit der Auswahl der Elektro-Bauteile, der Leitungsquerschnitte, den Luft- und Kriechstrecken zwischen den Bauteilen, den Isolationsstoffen usw. fest, wie robust oder sensibel das Elektrogerät gegen Überspannungsspitzen ist. Dabei wird das Elektrogerät einer der 4 Überspannungskategorien zugeordnet. Elektrogeräte der Überspannungskategorie I ertragen wenig Überspannungen (Stoßspannung).  Elektrogeräte der Überspannungskategorie IV vertragen höhere Stoßspannungen.

Überspannungs-kategorieGrober Merksatz zur Gerätezuordnung:Bemessungs-stoßspannung:Typische Geräte und Maschinen in dieser Überspannungskategorie:
I Geräte die einen externen Trafo / Steckernetzteil nutzen 1.500 Volt

Dazu zählen z.B.: Laptops, Monitore, Telefone, Switch, Festplatten-Dockingstations, Kassenterminals,  LAN-WLan-Router, Repeater, Tür-Video-Systeme, Überwachungskammeras

II Geräte die einen Kaltgerätestecker besitzen 2.500 Volt

Dazu zählen z.B.: Haushaltsgeräte, tragbare Werkzeuge und andere Hausgeräte wie PC, Drucker, Fotokopierer, Telefonanlagen, NAS, Server, Laborgeräte, Heizungssteuerung, Temperaturregler, Kassensysteme, Brotbackautomaten, Toaster, Mikrowellen, Küchengeräte, SAT-Receiver etc.

III Geräte die keinen Stecker besitzen, sondern direkt angeschlossen sind 4.000 Volt

Betriebsmittel in festen Installationen und für solche Fälle, in denen besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit und die Verfügbarkeit der Betriebsmittel gestellt werden, dazu zählen z.B.: Schalter in festen Installationen (FI-Schutzschalter) oder Geräte für industriellen Einsatz mit dauerndem Anschluss an die feste Installation (stationäre Motoren, CNC-Maschine).

oder: Sicherungsautomaten, Steckdosen, Verteilerkästen, Schalter, Reiheneinbaugeräte, USV-Anlagen, Energiespeicher, Baukräne, Aufzüge, Drehbänke, CNC-Fräse, Ständerbohrmaschinen, Stanzen, Hebebühnen, Torantriebe, Herdplatten, Backöfen, etc.

IV Geräte am Einspeispunkt der Elektroinstallation 6.000 Volt Betriebsmittel für den Einsatz am Anschlusspunkt der Installation dazu zählen z.B.: Elektrizitätszähler und primäre Überstromschutzgeräte, Rundsteuergeräte, Hauptschalter

Überspannungskategorie I, II, III, IV: Ursprung und Herkunft

Angaben von Gebrauchskategorien in Datenblätter

Die Einteilung der Überspannungskategorien erfolgt in der Norm DIN EN 60664-1 VDE 0110-1. Diese VDE-Norm ist für E-Geräte-Hersteller bzw. Maschinenentwickler und behandelt die Isolationsfestigkeit der Elektrogeräte und Maschinen. Dabei geht es darum, wie eigensicher die Geräte bei Überspannungsspitzen sind, bzw. wie sie sich verhalten. Oft findet man in Bedienungsanleitungen Angaben zur Überspannungskategorie eines Gerätes. Die Festlegung der Überspannungskategorie ist auch abhängig davon, wo innerhalb des Niederspannungsnetzes (von der Strom-Freileitung bis zum Schreibtisch) ein Gerät / eine Maschinen betrieben wird. Abhängig vom zukünftigen Installationsort muß ein Gerät / Maschine darauf ausgelegt sein, größere oder kleinere Überspannungen (Spannungsspitzen) kurzzeitig tragen zu können.

Spannungsspitzen sind im Stromnetz unvermeidbar, treten häufig auf und sind in der Lage Geräte zu zerstören. Für Geräteentwickler ist es wichtig ihr Produkt hinsichtlich der Isolationsfestigkeit zu testen und darauf auszulegen, dass Spannungsspitzen bis zu einer bestimmten Höhe das Gerät nicht zerstören.

Woher kommen Spannungsspitzen und transiente Überspannungen:

Spannungsspitzen werden auch als transiente Überspannungen oder kurz Transienten bezeichnet. Sie entstehen durch einfache Schalthandlungen in elektrischen Stromkreisen oder sie entstehen durch elektrostatische Entladungen. Spannungsspitzen dauern oft nur für einen Zeitraum von Mikrosekunden. Beispiel: Kleine Spannungsspitzen entstehen im lokalen Stromnetz wenn ein Lichtschalter betätigt wird. Große Spannungsspitzen entstehen, wenn ein Netzbetreiber Stromleitungen umschaltet. Auch Blitzentladungen rufen transiente Überspannungen hervor.

Warum beeinflusst Art der Netzanbindung (Direktanschluss, Stecker, Trafo)  die Überspannungskategorie:

Abhängig von der Netzanbindung eines Elektrogerätes erwartet man unterschiedliche große Spannungsspitzen. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn eine elektrische Überspannung über die Stromleitung ein Hausinstallation erreicht, dann bekommen die ersten Elektrogeräte in dieser Elektroinstallation mehr davon ab, als die Geräte ganz am Ende der Hausverteilung.

Beispiel: Ein Stromzähler im Keller ist unmittelbar und über einen großen Leiterquerschnitt mit dem Stromnetz verbunden. Dagegen ist ein Endgerät wie z.B. ein LAN-Router erst nachrangig über Leitungsschutzschalter, externen Niederspannungstrafo und 0,5mm² Kupfer-Litze mit dem Netz verbunden. Sollte eine Spannungsspitze aus dem Versorgungs-Stromnetz kommen, so wird dieser Nadelstich für den Stromzähler intensiver als für den nachgeschalteten LAN-Router. Der Entwickler eines Stromzählers muß sein Gerät für Spannungsspitzen bis 6 kV auslegen, dagegen stellt sich der Entwickler eines Laptops, der nur nach einem Niedervolttrafo betrieben werden kann, auf Spannungsspitzen von nur bis 1,5 kV ein.

 

Was hat die Überspannungskategorie mit unseren Überspannungsschutzgeräten zu tun?

Schutzpegel

Ganz einfach: Überspannungsschutzgeräte haben die Hauptaufgabe, den Überspannungspegel soweit herunter zu setzen, dass die nachgeschaltene Endgeräte damit zurecht kommen. Der Überspannungspegel in der AC-Leitung (Stoßspannung) muss durch Auswahl des/der richtigen Überspannungsschutzgeräte (in Reihe) so reduziert werden, dass die Rest-Überspannung zur Bemessungs-Stehstoßspannung des Elektrogerätes passt, die eben mit der Überspannungskategorie des Elektrogerätes ausgedrückt wird.

Das bedeutet: ein Router in Überspannungskategorie I verträgt keine Überspannungen von mehr als 1500 V. Er braucht vorgeschaltete Überspannungsschutzgeräte (Koordination Typ1+2+3) die für ihn den Überspannungspegel auf unter 1,5 kV herunterpegeln (Schutzpegel).

Ohne Überspannungsschutz hat ein Gertät wie zum Beipiel ein LAN-Router keine Chance. Alle Elektrogeräte der Überspannungskategorie I und II brauchen einen koordinierten Überspannungsschutz, andernfalls werden diese Elektrogeräte durch Überspannung zerstört. Koordiniert meint: Eine Reihe von aufeinander aufbauenden Schutzgeräte der Stufen: Typ 1+2 und Typ 3 wirken nacheinander.

Ein Grobschutz Typ1 alleine kann den Router nicht schützen, ein Feinschutz Typ 3 alleine kann nur bedingt ein nachgeschaltetes Gerät wie z.B. einen Router schützen - die anstehende Energie darf für den Typ 3 nicht zu hoch sein.

Seit 2016: Einbau von Überspannungsschutz ist Pflicht wenn Endgeräte der Überspannungskategorie I oder II vorhanden sind

Mehr zum Thema Überspannungsschutz-Pflicht lesen hier.

 


Zusatzwissen: Fachchinesisch:

Ueberspannungsschutzkategorie_gibts_nicht

In diesem Artikel beschrieben wir bisher ausführlich  Überspannungskategorien I bis IV. Bei der Recherche zu diesem Artikel ist uns aufgefallen, dass auf manchen Webseiten von Überspannungsschutzkategorien gesprochen wird. Als Überspannungsschutz-Profi interessierte uns das genauer. Also recherchierten wir in aller Literatur und Normentexte nach diesen  sogenannten Überspannungsschutzkategorien.

Wir stellen fest:

Es gibt keine Überspannungsschutzkategorien - es gibt nur Überspannungskategorien.

Wenn Sie auf anderen Webseiten zukünftig von Überspannungsschutzkategorien lesen, dann wissen Sie jetzt schon mehr als der dortige Autor.

Überspannungsschutzkategorien ist ein Fantasiewort ohne normative Grundlage.

In verschiedene Quellen wird das Wort irrtümlich eingesetzt wenn der Autor entweder
Überspannungskategorien (I,II,III,IV im Zusammenhang mit Isolationsfestigkeit eines elek.Gerätes) oder
Überspannungsschutzgeräte (Typ1,2,3 früher A,B,C.. im Zusammenhang mit deren Koordinierung) meint. Überspannungsschutzgeräte werden nicht in Kategorien sondern in Typen (oder engl. Class) eingeteilt. Deshalb spricht man von Typ 1, Typ 2 oder Typ 3.

 

"Überspannungskategorie I bis IV" ist auch nicht gleich "Messkategorie CAT I bis IV":

Manche Autoren anderer Webseiten verwechseln die Überspannungskategorien auch mit den sogenannten Messkategorien CAT I bis IV. Das ist jedoch auch falsch, den: Überspannungskategorien sind keine Messkategorien CAT I bis IV.

Ueberspannungsschutzkategorien_sind_keine-Messkategorien

Die Messkategorien CAT I bis IV gelten für elek. Messgeräte wie Ampermeter, Voltmeter, Multimessgeräte etc. Die Einstufung der Messkategorien CAT I bis IV wird durch die Norm IEC 61010-1 (Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte) festgelegt.

Dagegen werden die Überspannungskategorien I bis IV in der Norm DIN EN 60664-1 VDE 0110-1 (Isolationskoordination für elektrische Betriebsmittel in Niederspannungsanlagen) definiert. In dieser Norm gibt es den Begriff oder die Abkürzung CAT nicht. Zwar ist in beiden Normen die Einteilung der Kategorien und deren Bezeichnung gleich oder sehr ähnlich, aber es geht inhaltlich um verschiedene Sachverhalte.