Ist Überspannungsschutz im Vorzählerbereich erlaubt?

Ja, Überspannungsschutz darf im Vorzählerbereich installiert werden. Allerdings ausschließlich nur Typ 1-Ableiter auf Funkenstreckenbasis ohne Betriebsstromverbrauch wie z.B. Funktionsanzeigen und Testschaltung. So fordern es die Technischen Anschlussbedingungen der Netzbetreiber und die Richtlinie für den Einsatz von Überspannungsschutzeinrichtungen.

Der sogenannte Vorzählerbereich eines Stromnetzanschluss ist das Hoheitsgebiet des Verteilnetzbetreibers (VNB = Energieversorger/Stadtwerke). Obwohl dieser Leitungsabschnitt bereits im Haus und in den Räumen des Anschlusseigentümers liegt, beginnt seine Zuständigkeit des Anschlusseigentümers erst nach dem Stromzähler. Vor dem Stromzähler entscheidet nur der Verteilnetzbetreiber (Versorgungsnetzbetreiber) über die Eigenschaften und Ausstattung des Netzanschlusses. Der VNB gibt vor, welche Geräte vor dem Zähler für welche Aufgabe eingebaut werden dürfen. Diese Vorgaben sind bezüglich des Überspannungsschutzes klar geregelt in diesen beiden Veröffentlichungen:

1.

Richtlinie für den Einsatz von Überspannungs-Schutzeinrichtugen (ÜSE) Typ 1 in Hauptstromversorgungssystemen

 

2. TAB 2007 das sind die Technischen Anschluss-Bedingungen der regionalen Netzbetreiber
Je nach Netzbetreiber gibt es aktuallisiert Fassungen aus 2011, 2012, 2016

 

Diese Richtlinien der Versorgungsnetzbetreiber sind öffentlich zugängig und in der Regel für jederman als PDF erhältlich. Nachfolgend finden Sie den Link zu den Quellen.


1. Richtlinie für den Einsatz von Überspannungs-Schutzeinrichtungen:

Ursprünglich waren die Netzbetreiber im Verband der Netzbetreiber - VDN – e.V. beim VDEW organisiert und gaben in dessen Namen Richtlinien für das anschließen an Niederspannungsnetze heraus. Mittlerweile ist der VDN in Nachfolgeorganisation: wie dem FNN/VDE bzw. BDEW aufgegangen.

Obwohl der VDN-Verein zwischenzeitlich in Nachfolgeorganisationen aufgegangen ist, wird die von ihm im Jahr 2004 herausgegebene Richtlinie nach wie vor als "Mutter"-Richtlinie angesehen. Die VDN-Richtlinie wird heute auf einem Server des VDE publiziert www.vde.com (Link zum PDF).  Auf diese VDN-Richtlinie beziehen sich anschließend die später veröffentlichten TAB's der regionalen Verteilnetzbetreiber. In der VDN-Richtlinie steht (Zitat):

Kapitel 3: Voraussetzungen für den Einsatz von ÜSE Typ 1 in Hauptstromversorgungssystemen:
Absatz 3.5: "Es  werden  ausschließlich  ÜSE  Typ  1  auf  Funkenstreckenbasis  eingesetzt.  ÜSE  Typ  1  dürfen  keinen  Betriebsstrom  durch  Zustandsüberwachungseinrichtungen,  z.B.  LED verursachen."
Auszug VDN-Richtlinie 2004

es darf kein ungezählter Strom fließen

Wir empfehlen: Installieren Sie kombinierte Überspannungsschutzgeräte Typ 1+2 einfach direkt nach dem Stromzähler. Damit sind Sie immer auf der sicheren Seite hinsichtlich der Forderungen der örtlich zuständigen EVU's/VNB's. Gleichzeitig ist die Installation nahe am Einspeispunkt und schützt die nachfolgende Elektroinstallation.


2. Technische Anschlussbedingungen TAB 2007:

Die Technischen Anschlussbedingungen werden von über 100 verschiedene Netzbetreibern für die jeweilige Region herausgegeben. In Deutschland oranisieren sich die Netzbetreiber über den BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.. Der BDEW hat zunächst die TAB 2007 als sogenannten "Bundesmusterwortlaut" herausgegeben und zuletzt in 2011 überarbeitet. Deshalb gibt es heute die TAB 2007 in der Fassung 2011. 

Daneben und zusätzlich können die über 100 einzelnen Netzbetreiber eigene TABs, also eigene Anschlussbedingungen veröffentlichen. Dabei lehenen Sie sich in den wesentlichen Teilen an den Bundesmusterwortlaut der TAB 2007 an. Hier eine unvollständige und beispielmäßige Aufzählung aktueller TABs.

TAB Herausgegeben Stand  Fassung: Bemerkung
TAB 2007 BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.

2011

hier: direkt zum PDF

TAB NS Nord 2012 BDEW Landesgruppe Norddeutschland und Landesgruppe Berlin Brandenburg

2016

zum PDF: Login erforderlich

TAB Mitteldeutschland BDEW Landesgruppe Mitteldeutschland

Juli 2012

hier: direkt zum PDF

In allen dieser TAB der Netzbetreiber beziehen sich diese auf die obige: Richtlinie des VDN aus dem Jahr 2004. Jede TAB enthält im Kapitel 12 den gleichen Absatz mit folgendem Wortsinn:

Kapitel 12: Auswahl von Schutzmaßnahmen:
Absatz 4: "Wird  ein  Überspannungsschutz  nach  DIN  VDE  0100-443  mit  Überspannungs-Schutzeinrichtungen vom Typ 2 oder Typ 3 nach DIN EN 61643-11 (VDE 0675-6-11) vorgesehen, nimmt der Errichter den Einbau der Schutzeinrichtungen im nicht plombierten Teil der Kundenanlage vor."
Absatz 5: "Wird  ein  Überspannungsschutz  nach  DIN  EN  60305 (VDE  0185-305) mit Überspannungs-Schutzeinrichtungen vom Typ 1 nach DIN EN 61643-11 (VDE 0675-6-11) vorgesehen, so dürfen Überspannungs-Schutzeinrichtungen im plombierten Teil der Kundenanlage eingebaut; werden, sofern sie den Anforderungen der Richtlinie Überspannungs-Schutzeinrichtungen Typ 1 (Anmerk.: gemeint VDN-Richtlinie) entsprechen."

 

Der Bundesmusterwortlaut der TAB verweist abschließend wieder auf die obige: Richtlinie des VDN. Das bedeutet auch die TAB erlaubt im Vorzählerbereich ausschließlich die Installation von Überspannungsschutzgeräte Typ  1  auf  Funkenstreckenbasis.


Fazit:

Trotz der Existenz verschiedener, regionaler TABs beziehen sich die regionalen Verteilnetzbetreiber bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen und die Errichtung von Überspannungsschutz immer auf die Richtlinie des Verband der Netzbetreiber VDN e.V.. Netzbetreiber erlauben im Vorzählerbereich keine Geräte die "lecken" können oder einen Betriebsstrom verbrauchen. Aus diesem Grund dürfen im Vorzählerbereich ausschließlich Überspannungsschutzgeräte vom Typ 1 auf Funkenstreckenbasis eingesetzt werden.

Wir empfehlen: Installieren Sie kombinierte Überspannungsschutzgeräte Typ 1+2 einfach direkt nach dem Stromzähler. Damit sind Sie immer auf der sicheren Seite hinsichtlich der Forderungen der zuständigen EVU's/VNB's. Gleichzeitig ist die Installation nahe am Einspeispunkt und schützt die nachfolgende Elektroinstallation.

Ausblick:

Der VDE/FNN arbeitet bereits aktiv an einer Erneuerung dieses TAB-Regelwerks. In Zukunft soll die "TAR Niederspannung" VDE AR-N 4100 für eine Ablösung viele Einzel-Richtlinien und anderer Anwendungsregel sorgen.

In der Entwurfsfassung der zukünftigen VDE-AR-N 4100 ist der Überspannungsschutz in der Kundenanlage klar beschrieben:
Absatz 11.2.3  Zeile 1486 gekürztes Zitat:  "Wird in der Kundenanlage ein Überspannungsschutz nach DIN VDE 0100-443 und 0100-534 vorgesehen, dann ist dieser Überspannungsschutz im gezählten Bereich der Kundenanlage zu installieren"

Die Einspruchsfrist zu dieser VDE-AR-N 4100 ist bereits abgelaufen. Nach erfolgreicher Notifizierung durch die EU-Kommission wird die VDE-AR-N 4100 mit einer Einführungsfrist bis zum 26. April 2019 in das VDE-Vorschriftenwerk übernommen, tritt dann in Kraft und löst dann die VDN-Richtlinie Überspannungs-Schutzeinrichtungen Typ 1 ab.

Mehr zu den geplanten Änderungen gibt es hier: VDE