Ist Überspannungsschutz Pflicht?

Ja, Überspannungsschutz ist seit 2016 Pflicht für Elektroinstallateure, die ihre Elektroanlagen gemäß den aktuellen VDE-Normen errichten. Die Norm DIN VDE 0100-443 fordert: Überspannungsschutz muss vorgesehen werden, wenn die Folgen der Überspannung Auswirkungen haben auf:

1. Menschenleben, z.B. Anlagen für Sicherheitszwecke oder im medizinischen Bereich
2. öffentliche Einrichtungen oder Kulturbesitz, z.B. Ausfall für öffentlicher Infrastruktur
3. Gewerbe- oder Industrianlagen, z.B. Hotels, Banken, Produktionsstätten, Landwirtschaft
4. Ansammlungen von Personen, z.B. in Kinos, Schulen, Flughäfen, Statthallen, Messen, Kindergärten
5. Einzelpersonen, z.B. in Wohn- oder Bürogebäuden, wenn dort Betriebsmittel der Überspannungskategorie I oder II angeschlossen sind. Damit sind fast alle Elektroendgeräte gemeint, die einen Stecker haben.

Quelle: DIN VDE 0100-443 Absatz 4, Stand Oktober 2016


Seit wann ist Überspannungsschutz Pflicht?

Die heute gültige VDE-Norm für das "Errichten von Niederspannungsanlagen" DIN VDE 0100-443:2016-10 ist seit dem 1. Oktober 2016 gültig.

Für wen gilt Überspannungsschutz Pflicht?

Die Pflicht ergibt sich für alle diejenigen, die mit dem Stromnetz verbundene Schaltanlagen wie zum Beispiel: Energieverteilungen, Hausanschlüsse, Zählerschränke oder Unterverteilungen gemäß den VDE-Elektronormen errichten, errichten lassen oder betreiben.

Die Forderungen der VDE-Elektronormen richten sich -interessanterweiße- an jeden Stromanschluss-Besitzer und an jeden Elektroinstallateure. Also nicht nur an die ausführende Hand - so wie das bei vielen anderen Fachnormen der Fall ist. Bei den VDE-Elektronormen geht es im Kern immer um die Sicherheit von Nutzern eines Stromanschlusses (z.B. auch für Kinder). Wegen des hochwertigen Sicherheitsaspektes gilt die Forderung zur Einhaltung der gültigen VDE-Normen nicht nur für Elektroinstallateure, sondern auch für den Anschlussinhaber. Das bedeutet: Eine vertragliche Ablehnung der Einhaltung der VDE-Normen ist nicht möglich, da beide Parteien aus unterschiedlichen Quellen zur Einhaltung der VDE-Normen verpflichtet werden.

Woraus leitet sich die Pflicht ab?

Es gibt verschiedene und mehrere Rechtsgrundlagen, die den jeweiligen Eigentümer der Schaltanlage und den Elektroinstallateur zur Anwendung der VDE-Norm verpflichten. Beispiel: Zu jedem Strom-Anschluss besteht immer auch ein sogeannanter "Netznutzungsvertrag" zwischen dem Stromanschlussinhaber (i.d.R. Eigentümer) und einem Netzbetreiber (i.d.R. Stadtwerke) . In dem Netznutzungsvertrag ist vertraglich die Einbindung des Energiewirtschaftsgesetz geregelt. In Deutschland sind die Betreiber einer Elektroanlage oder eines  Hausanschlusses mittelbar aufgrund §49 Energiewirtschaftsgesetz (Link zum Gesetztext) dazu verpflichtet, ihre Elektroanlage normenkonform zu errichten bzw. errichten zu lassen. Der Anschlussinhaber hat deshalb eine gesetzliche Pflicht zur Normenanwendung - hergestellt über den Netznutzungsvertrag in Verbindung mit dem Energiewirtschaftsgesetz.

Für Elektoinstalleure ergibt sich die Anwendung der VDE-Normen z.B. aus der "Niederspannungsverordnung" oder der "Inbetriebnahmeanzeige".

Fazit: Es gibt mehrere Grundlagen die zur Anwendung der VDE-Normen verpflichten. Dabei ist es egal ob es sich bei der Schaltanlage um einen mannshohen Schaltschrank, um einen einfachen Hausanschlusskasten, Zählerschrank, Unterverteiler oder um einen kleinen Aufputzverteiler handelt: Die aktuell gültigen VDE-Normen sind bei allen Elektroanlagen anzuwenden die mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden sind. Stromanschlussinhaber, Elektroinstallateure, Schaltanlagenbauer und Errichter von Niederspannungsschaltanlagen sind gemäß VDE-Norm DIN VDE 0100-443 Abs. 4 zum Einbau eines Überspannungsschutz verpflichtet.

E-Installateure, Schaltanlagenbauer, Errichter müssen Kunden informieren:

Endkunden erwarten die Errichtung einer normgerechten und sicheren Elektroanlage auf dem heutigen Stand der Technik. Überspannungsschutz ist keine exklusive Sonderausstattung, sondern Stand der Technik, der wie ein Fehlerstromschalter, Leitungschutzschalter oder Brandmelder regelmäßig installiert wird. Deshalb gilt  für Elektroinstallateuere :

Überspannungsschutz immer vorsehen und anbietet - in jedem Angebot. Bei Nicht-Annahme weisen Sie ihren Kunden darauf hin, dass aufgrund des fehlenden Überspannungsschutz:

  • die Elektroinstallation und damit verbundene Endgeräte durch Überspannung zerstört werden können,
  • zusätzlich Brand- und Personenschaden möglich ist,
  • die Elektroinstallation nicht den aktuellen Regeln der Technik (aRT) entspricht
  • der Betreiber der neuen Elektroanlage gem. §49 Energiewirtschaftsgesetz dazu verpflichtet ist die Elektroanlage normativ so zu errichten (oder errichten zu lassen), das sie sicher ist.

Wer Überspannungsschutz installiert, handelt normativ korrekt und auf Basis der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Wer Überspannungsschutz unterlässt muß sich im Schadensfall erklären und begründen warum. Haben Sie dazu Fragen: Rufen Sie uns an. Unsere Rufnummer sehen Sie in der Fußzeile.

Bedenken Sie: sollte Jahre nach dem Errichten oder dem Verändern der Elektroinstallation, das Leben oder das Eigentum eines Dritten (als Nutzer der Energieanlage) durch Überspannung verletzt werden, dann besteht unter Umständen ein Schadensersatzanspruch zwischen dem Nutzer der Energieanlage (z.B. zukünftiger Mieter/Mitarbeiter) und dem Betreiber der Energieanlage (z.B. Vermieter/Unternehmen),  in den der ausführende Elektroinstallateuer eingebunden sein könnte.

Überspannungsschutz-im-Zaehlerschrank

Überspannungsschutz mit 2 SLS P-ZP

Exkurs: Norm vs Gesetz?

Kernfrage: Ist eine Norm ein Gesetz? Nein. Aber: Mehrere deutsche Bundesgesetze verweisen in ihrem jeweiligen Gesetzestext explizit auf die vom VDE e.V. geschriebenen Elektro-Normen. Durch diesen Verweis werden die Elektor-Normen des VDE e.V. mittelbar zum Gesetz. Ein Beispiel:

Elektroinstallationen die mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden sind, unterliegen dem deutschen Energiewirtschaftsgesetz. Das Energiewirtschaftsgesetz wird mittels dem Netznutzungsvertrag (Link zur Muster-Präambel) auch für den Anschussinhaber verpflichtent. 

§ 49 Energiewirtschaftsgesetz fordert: (Link zum Gesetz)

(1) Energieanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik (aRT) zu beachten.

(2) Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn (...) die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V., (VDE) (...) eingehalten worden sind.

Durch diesen Verweis wird die VDE-Norm quasi zum Gesetz.

Das Energiewirtschaftsgesetz ist die  Grundlage woraus die aRT-konforme und somit VDE-Normenkonforme Ausführung gefordert wird. Weitere Verweise auf eine aRT-konforme Ausführung gemäß VDE-Normen kann es im freien Vertragsrecht, in der VOB/B, im BGB und Landes- oder Musterbauordnung geben.

Besteht Überspannungsschutzpflicht auch im Altbau?

Ja, die Pflicht zum Überspannungsschutz besteht auch in Altbauten - das hat aber nichts mit dem Gebäudealter zu tun. Relevant ist ob die Elektroanlage des Altbaus verändert wird. Wird eine Elektroanlage (egal ob im Alt- oder Neubau) verändert, dann gilt diese Veränderung immer als "Erneuerung". Jede Erneuerung muß auf dem aktuellen Stand der Technik erfolgen. Allein schon um Menschen und Werte im Altbau den selben Brand- und Personenschutz zu gewähren, wie in einem Neubau, muß auch der Umbau einer alten Schaltanlage oder Verteilung nach den aktuell anerkannten Regel der Technik ausgeführt werden. Das bedeutet, das Gewerk ist gemäß der VDE-Normenreihe zu erstellen und das erfordert die Beachtung der Teilnorm VDE 0100-443 in der derzeit gültigen Fassung.

Gibt es eine Nachrüstpflicht für Überspannungsschutz?

Ja, wenn eine Elektroanlage verändert wird, dann ergibt sich eine Nachrüstpflicht, weil die Veränderung wieder auf Basis der aktuellen VDE-Elektronormen zu erfolgen hat. Zum Beispiel bei der Errichtung neuer Stromkreise, Energiespeicher, PV-Anlagen, Ladesäulen, usw. .

Nein, solange keine Veränderung an einer elektrischen Anlage stattfindet, solang hat die Verteilung Bestandsschutz. Das bedeutet, der heutige Stand der Technik muß nicht ohne Anlass nachgerüstet werden. Erst wenn eine Veränderung der Elektroanlage ansteht, dann müssen erneut die aktuellen Normen beachtet werden.

Wird zum Beispiel die ganze Elektroinstallation oder nur ein Teil der Stromverteilung eines Altbaues oder nur ein einzelner Stromkreis in einem Altbau-Haus verändert, dann muss diese technische Änderungen auf dem Stand der heutigen Normen ausgeführt werden. Die Elektroanlage kann nicht auf dem Stand der Normen aus der Gründerzeit des Hauses belassen werden.

Was sind Betriebsmittel der Überspannungskategorie I oder II?

Gemäß Norm müssen Elektroinstallateure in Wohngebäuden und Büros dann Überspannungsschutz errichten, wenn in diesen Gebäuden Betriebmittel der Überspannungskategorie I oder II errichtet sind (Quelle: VDE 0100-443:2016-10 Absatz 4 Nr. 5). Die nächste Tabelle zeigt typische Geräte der Überspannungskategorie I oder II.

Überspannungs-kategorie Grober Merksatz zur Gerätezuordnung: Bemessungs-stoßspannung: Typische Geräte und Maschinen in dieser Überspannungskategorie:
I Elektrogeräte die über einen externen Trafo / Steckernetzteil angeschlossen werden maximal:
1.500 Volt

Dazu zählen z.B.: Laptops, Monitore, Telefone, Switch, Festplatten-Dockingstations, Kassenterminals,  LAN-WLan-Router, Repeater, Tür-Video-Systeme, Überwachungskammeras, usw.

II Elektrogeräte die einen Kaltgerätestecker besitzen maximal:
2.500 Volt

Dazu zählen z.B.: PC, Drucker, Fotokopierer, Telefonanlagen, NAS, Server, Laborgeräte, Heizungssteuerung, Temperaturregler, Kassensysteme, Brotbackautomaten, Toaster, Mikrowellen, Küchengeräte, SAT-Receiver, usw.

Es ist davon auszugehen, das in Wohngebäuden und Büros grundsätzlich Betriebsmittel der Überspannungsschutzkategorie I oder II an die feste Installation angeschlossen sind.

Warum gibt es in der Norm eine Bezugnahme zu den Elektro-Endgeräten und deren  jeweiligen Überspannungskategorie?
Dies hat zwei einfache Gründe.

1. Personen- und Brandschutz: Diese sensiblen Elektro-Endgeräte verkraften aufgrund ihres Gerätedesigns und Auslegung keine größeren Überspannungen von mehr als 2.500 Volt. Höhere Überspannungen können in diesen Elektro-Endgeräten zu Personen- oder Brandschäden führen.

 

2. Normenforderung mit Maß und Vernunft: Die normative Forderung nach Überspannungsschutzmaßnahmen entsteht erst, wenn ein reales Risiko für Leib und Leben entstanden ist, z.B. nach dem Einbau der oben genannten Elektro-Endgeräte. Die Norm fordert nicht blind und pauschal überall Überspannungsschutzmaßnahmen. Es gibt Elektro-Schaltanlagen und Installationen in denen existieren (noch) keine Elektro-Endgerät mit der Überspannungssensiblen Klasse I oder II. Die Errichtung eines Überspannungsschutzes macht in diesem Fall mit Augenmaß und Vernunft keinen Sinn, da kein Gefahrenpotential vorhanden ist. Beispiel: eine Wohnung wurde neu errichtet, die Wohnung ist noch nicht verkauft und die Endnutzung ist noch unklar. Vielleicht werden es reine Lagerräume die nur mit Lichtschalter (= Gerät der Überspannungskategorie III) ausgestattet sind.

 

Mehr zum Thema Überspannungskategorien gibts hier.